Hintergrund: Anästhesie und Intensivmedizin gehören zu den ressourcenintensivsten medizinischen Fachbereichen. Narkosen mit volatilen Anästhetika sind für bis zu 50 Prozent des CO2-äquivalenten (CO2e) Ausstoßes in der operativen Versorgung verantwortlich.
Der Medikamentenverwurf ist ebenfalls substantiell: Propofol, das hauptsächlich genutzte intravenöse Anästhetikum, macht 45 Prozent des gesamten Verwurfs im Operationssaal aus, wobei ein Viertel des aufgezogenen Medikaments ungenutzt bleibt. Aktuelle Debatten über Ökotoxizität und Medikamentenknappheit unterstreichen die Notwendigkeit einer verbesserten Effizienz von Anästhesieverfahren und der damit verbundenen Verbesserung der Patientensicherheit.
Ziele: Das Green Team der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin (KAI) etabliert ökologische Nachhaltigkeit als evidenzbasierten Entscheidungsfaktor in der Anästhesiologie. Primäres Ziel ist die direkte Reduktion des CO2-Fußabdrucks sowie des Medikamentenverwurfs in der perioperativen Versorgung unter bestmöglicher Patientensicherheit. Die klinischen Projekte liefern die wissenschaftliche Basis für Handlungsempfehlungen zur direkten Anwendung und Implementierung in die Lehre.
Umsetzung: Zwei Oberärzt:innen, vier Assistenzärzt:innen sowie drei medizinische Doktorand:innen arbeiten aktuell in Eigeninitiative im wissenschaftlichen Green Team. Initiale Projekte zeigten eine substantielle Reduktion von Treibhausgasen bei Gasnarkosen durch Verfahrensanweisungen (in Veröffentlichung) sowie eine Reduktion des Medikamentenverwurfs bei intravenösen Narkosen (Windler et al., 2024). Darauf basierend entstanden weitere Folgeprojekte, wie z.B. eine internationale, computergestützte Analyse zur App-basierten Optimierung des Medikamentenverwurfs sowie eine Anwendungsbeobachtungsstudie zur Übertragung der Konzepte auf Grund- und Regelversorger.
Ergebnisse: Durch evidenzbasierte Standardarbeitsanweisungen konnte der CO2-Fußabdruck von Gasnarkosen am Uniklinikum Bonn um 89 Prozent reduziert werden (Einsparung von 195 t CO2e pro Quartal). Bei intravenösen Narkosen wurde der Propofol-Verwurf um 33 Prozent, bei bestimmten Eingriffen sogar um 48 Prozent reduziert. Computergestützte Analysen zeigen eine mögliche Reduktion des Verwurfs durch Nutzung von Apps zur Unterstützung der Anästhesist:innen. Erste Untersuchungen zeigten Barrieren bei der Etablierung von Nachhaltigkeit in der Lehre.
Mehr unter: https://ukbmittendrin.de/fuer-mehr-nachhaltigkeit-am-ukb/
Dieses Projekt wurde von der Jury des Lohfert-Preises 2025 als eines von 14 Projekten zum Themenfeld "Grüne Anästhesie" lobend erwähnt. Der Text ist der Bewerbung zum Lohfert-Preis 2025 entnommen.
Headerfoto: Bertram Solcher für den Lohfert-Preis 2022