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Arzneimitteltherapiesicherheit heute

Es ist eine komplexe Aufgabe, Patienten die passenden Arzneimittel zu verordnen und angemessen zu dosieren: Der individuelle Kontext jedes Patienten, seine Vorerkrankungen, sein Lebensumfeld und -wandel und seine Gesundheitskompetenz erschweren die optimale Therapieentscheidung. Vor dem Hintergrund zunehmend älterer Patienten mit mehreren Erkrankungen gewinnt die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in allen Bereichen der medizinischen Versorgung an Bedeutung. Von der Verordnung über die Dosierung, Verabreichung und Einnahme gibt es diverse Fehlermöglichkeiten. Informationsschnittstellen und -wege von der ambulanten in die stationäre Versorgung und zurück bergen viele Risiken für unerwünschte vermeidbare Fehler.

AMTS kein Fremdwort mehr - Koordinierungsgruppe sensibilisiert für das Thema  

Deshalb startete die WHO im Jahr 2017 die Kampagne Medication without harm. Die WHO-Mitglieder verpflichten sich darin, sogenannte vermeidbare arzneimittelbezogene Ereignisse – severe avoidable medication-related harm – bis zum Jahr 2022 um 50 Prozent zu reduzieren. In Deutschland hat das Bundesgesundheitsministerium 2008 die Koordinierungsgruppe AMTS bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKdÄ) eingesetzt. Die AMTS-Koordinierungsgruppe erarbeitet Aktionspläne zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit und setzt sie mit verschiedenen Partnern um – zuletzt den Aktionsplan von 2016. Die Schwerpunkte dieses AMTS-Aktionsplans lagen unter anderem auf der Sensibilisierung aller Akteure und der Öffentlichkeit sowie auf der Verbesserung von Information und Dokumentation im Zusammenhang mit der Arzneimitteltherapie.


Eine sehr anschauliche Übersicht zu der Frage“ Warum gelingt es nicht (die Folgen von) Medikations-fehler(n) zu vermeiden, obwohl dies möglich wäre?“ bot im Jahr im 2016 der Experte Prof. Dr. Daniel Grandt in seinem Vortrag vor der AKdÄ.


Digitalisierung - die Daten für die Patienten nutzbar machen

Ein Meilenstein – ebenfalls im Jahr 2016 – war die Einführung des verpflichtenden bundeseinheitlichen Medikationsplans (BMP) – allerdings bisher nur im ambulanten Sektor. So konstatiert Prof. Dr. Petra A. Thürmann im aktuellen Barmer Arzneimittelreport 2020, dass „zahlreiche Optimierungen … bis heute noch nicht umgesetzt sind – darunter die verpflichtende Einbeziehung des stationären Sektors in die Anwendung des BMP und (seine) Implementierung in alle Praxis- und Krankenhausinformationssysteme.“ Und im Interview mit der Christoph Lohfert Stiftung fordert sie: Der elektronische Medikationsplan … muss als Bestandteil einer elektronischen Patientenakte verfügbar sein und zwar für den Patienten und nicht nur für die Abrechnung“. Wie eine lückenlose Informationskette inklusive Zugriff auf behandlungsrelevante Informationen aus den Abrechnungsdaten der Krankenkassen aussehen und wie effizient sie Fehler vermeiden hilft, wird gerade in dem Projekt TOP Transsektorale Optimierung der Patientensicherheit erforscht.

Arzneimitteltherapiesicherheit ist interprofessionell

Ein weiterer Bestandteil der Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit ist zudem, die Rolle der Pharmakologen beim stationären Medikationsmanagement und in der Medikationsanalyse sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu stärken. Gerade vor dem Hintergrund, dass in Deutschland wenige Apotheker in Kliniken arbeiten, kommt auch der Fortbildung des medizinischen Personals eine große Rolle zu. Ein Ansatz, den auch die Preisträgerin mit ihrem Projekt Sapremo verfolgt.

Closed Loop Medication Management - lückenlose Prozesskette

Ein EU-weit beispielhaftes Projekt und Vorreiter im Kliniksektor ist das Closed Loop Medication Management des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf. Dort wurde bereits im Jahr 2007 ein Closed-Loop- Medication Management System eingeführt – eindrücklich geschildert im Deutschen Ärzteblatt. In einem geschlossenen Medikationsprozess von der Verordnung bis zur Verabreichung und Dokumentation wird die Medikation vollumfänglich elektronisch erfasst, von einem interdisziplinären Team überwacht und automatisch abgefüllt. Von zentraler Bedeutung ist die Rolle des Stationsapothekers. Er muss jede ärztliche Verordnung prüfen und freigeben – beziehungsweise intervenieren. So wird auch am UKE jedes vierte Medikationsprofil noch einmal überarbeitet, berichtete jüngst die Zeitschrift „kma“ in ihrer Märzausgabe.

Der Bundesverband der Deutschen Krankenhausapotheker betont: „Nicht nur Patienten profitieren von der hohen Arzneimitteltherapiesicherheit, sondern auch Ärzte, Dokumentare und vor allem Pflegende werden durch den Prozess entlastet.“

Gesundheitskompetenz ist das A und O

Großes Anliegen der Initiatorin des Preisträgerprojekts, Dr. Ursula Wolf, ist neben der interdisziplinären Zusammenarbeit die Befähigung der Patienten und eine adäquate Information über ihre Medikation. Auch die Koordinierungsgruppe AMTS blickt auf den einzelnen, vor allem älteren Patienten. Insbesondere für die ambulante Versorgung ist es zentral, die Gesundheitskompetenz besonders vulnerabler Patientengruppen zu erhöhen. So könnten durch ihre Teilhabe an Medikationsentscheidungen eine bessere Akzeptanz und ein effektiverer Umgang mit der eigenen Medikation erreicht werden.

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Zitathinweise

Petra A. Thürmann: Arzneimitteltherapiesicherheit an der Sektorengrenze: Anforderungen an Strukturen und Prozesse. BARMER Arzneimittelreport 2020, Seite 152 - 160.

Bundesverband der Deutschen Krankenhausapotheker, Frank Dörje, Dr. Manfred Haber, Dr. Michael Baehr: Closed Loop Medication Management – ein Muss für die Klinik 4.0, Management & Krankenhaus 9/2018

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