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Das Potenzial ist da! Wie eine Mitarbeitendeninitiative Nachhaltigkeit zum Topthema macht

8. Juli 2025

Lohfert-Preis

Das Projekt „Carus Green – Nachhaltigkeit und höhere Umweltverträglichkeit" am Universitätsklinikum Dresden hat den Lohfert-Preis 2025 gewonnen. Wir sprechen mit dem medizinischen Vorstand Prof. Dr. Uwe Platzbecker, und dem Projektkoordinator Patrick Emmerlich über den Weg dieser langjährigen und nachhaltigen Teambewegung, die inzwischen mehr als 50 Einzelmaßnahmen hervorgebracht hat – und wir sprechen darüber, warum das Projekt trotz gefühlter gesellschaftlicher Nachhaltigkeitsmüdigkeit jetzt erst recht an Fahrt gewinnt.

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Prof. Dr. Uwe Platzbecker, medizinischer Vorstand, mit Dr. Diana Hertzschuch, Qualitäts- und Prozessmanagerin, die sich für die Verbesserung der klimafreundlichen Mobilität einsetzt.. Bild: Bertram Solcher
Prof. Dr. Uwe Platzbecker, medizinischer Vorstand, mit Dr. Diana Hertzschuch, Qualitäts- und Prozessmanagerin, die sich für die Verbesserung der klimafreundlichen Mobilität einsetzt.. Bild: Bertram Solcher
Projektkoordinator Patrick Emmerlich (links) im Gespräch mit dem Energiemanager Marian Hanke. Im Vordergrund: eine neu installierte Photovoltaik-Anlage. Bild: Bertram Solcher
Projektkoordinator Patrick Emmerlich (links) im Gespräch mit dem Energiemanager Marian Hanke. Im Vordergrund: eine neu installierte Photovoltaik-Anlage. Bild: Bertram Solcher
Das Interview im Überblick: 

Ist das Carus Green Team Ihr Dreamteam?

„Ich würde das absolut bejahen. Wir brauchen aber, um in diesem Bereich die Zukunft zu gestalten, noch weitere Dreamteam-Mitglieder.“

1:49 – Prof. Platzbecker würdigt die Leistung des Carus Green Teams in den vergangenen Jahren. Er verweist auch auf die Rolle seines Vorgängers im Vorstand, Prof. Dr. Michael Albrecht, der das Carus-Green-Programm maßgeblich mitgestaltet hat. Auch wenn die Bewerbung auf Anregung des Vorstands erfolgte, sei der Erfolg das Ergebnis jahrelanger engagierter Teamarbeit.

Inwiefern begleitet Sie das Thema Nachhaltigkeit als Klinikleitung – und warum ist es so wichtig?

„Auch die kleinen Dinge können am Ende Großes bewirken. Das ist zumindest unser Credo.“

03:08 – Prof. Platzbecker betont die zunehmende Relevanz angesichts klimatischer Veränderungen und verweist auf die Verantwortung des Vorstands gegenüber den 9.000 Beschäftigten am UKD. Nachhaltigkeit müsse im Alltag erlebbar sein – glaubhaft gelebt, nicht bloß kommuniziert. Nur so könne man junge Mitarbeitende binden und ihnen langfristig ein attraktives Arbeitsumfeld bieten.

„Wir wollen ein atmendes System der Nachhaltigkeit am Klinikum formieren.“

Was bedeutet „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“ im Kontext eines Krankenhauses?

„Beide Ziele sind untrennbar miteinander verbunden und essenziell für eine nachhaltige und gesunde Zukunft.“

05: 48 – Prof. Platzbecker schildert die gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise – von Luftverschmutzung bis zu Extremwetterereignissen, die jährlich zehntausende Hitzetote in Europa verursachen. Auch die zunehmende Ausbreitung tropischer Infektionskrankheiten wird thematisiert.

Wie wurde aus einem interdisziplinären Traineeprojekt das Carus Green Team?

07: 48 – Patrick Emmerlich beschreibt den Startpunkt im Jahr 2012: ein multidisziplinäres Traineeprojekt, das sechs zentrale Handlungsfelder für mehr Umweltverträglichkeit im Klinikum identifizierte. Eine Leitfrage: „Wie können wir ressourcenschonend im Kontext von Spitzenmedizin und Spitzenforschung agieren?“

  1. Energieverbrauch als zentrales Handlungsfeld
  2. Mitarbeitermobilität und innerbetrieblicher Transport
  3. Ernährung – mit Fokus auf klimaangepasste Angebote
  4. Recycling
  5. Bildung und Sensibilisierung der Mitarbeitenden
  6. Campusgestaltung und Biodiversität

Aus dem Projekt ist die innerbetriebliche Initiative Carus Green entstanden – ein fester organisatorischer Rahmen für zahlreiche Maßnahmen, getragen von engagierten Mitarbeitenden.

Wie ist die Arbeit des Carus Green Teams heute organisiert?

10:18 – Patrick Emmerlich beschreibt Carus Green als ein gewachsenes Beratungsteam, das den umfangreichen Maßnahmenkatalog strukturiert und weiterentwickelt. Viele Ideen stammen aus dem Kreis der Mitarbeitenden selbst – etwa die Umstellung raumlufttechnischer Anlagen auf Stand-by-Betrieb in OP-freien Zeiten. Eine begleitete Masterarbeit belegte, dass dabei keine erhöhte Keimbelastung auftrat.

„Wir haben Energieeinsparungen über alle OPs hin gerechnet von 40 MWh pro Jahr, einige 10.000 Euro an Stromkosten, aber natürlich auch CO2-Emissionen in Höhe von circa zwölf Tonnen pro Jahr. Alleine durch diese einzelne Maßnahme.“

Dieses Beispiel unterstreicht: Strukturen wie Carus Green sind entscheidend, um Ideen aus dem Klinikalltag sichtbar und wirksam zu machen.

Was motiviert die Mitarbeitenden, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen?

12:35 – Einerseits, so Patrick Emmerlich, sei die persönliche Motivation hoch, auch im Berufsumfeld umweltbewusst zu handeln. Andererseits müsse das Unternehmen das Thema dauerhaft wachhalten.

Wie sieht nachhaltiges Handeln konkret im Klinikalltag aus?

14:00 – Ein Beispiel ist die interne Initiative in der Anästhesie“: Mitarbeitende aus der Anästhesie entwickelten Maßnahmen zur Vermeidung klimaschädlicher Anästhetika – aus dem eigenen Fachbereich heraus, praxisnah und wirksam.

„Ideal ist es, wenn die Leute aus ihrem Fachbereich heraus Potenziale erkennen und diese dann innerhalb ihres Arbeitsumfelds umsetzen.“

Kann ein nachhaltiges Krankenhaus auch Patient:innen zu nachhaltigerem, gesünderem Verhalten bewegen?

16:13 – Prof. Platzbecker spricht von einem schmalen Grat zwischen Vorbild und Bevormundung. Langfristig gehe es darum, über Haltung und Angebote positive Impulse zu geben und die Sichtbarkeit nachhaltiger Themen zu erhöhen.

Spielt Nachhaltigkeit eine Rolle in der Führungskräfteentwicklung?

19:13 – Am UKD wurde das neue Beteiligungsformat „Carus Idee“ eingeführt. Verbesserungsvorschläge der Mitarbeitenden werden gesammelt und prämiert. Nachhaltigkeit spielt dabei eine zunehmend wichtige Rolle.

Gibt es Unterschiede zwischen den Generationen beim Thema Nachhaltigkeit?

20:49 – „Das Entscheidende ist aber, dass „die Alten“ jetzt nicht auch plötzlich zu Aktivisten werden, sondern dass sie die, die Aktivisten sind und die besten Ideen haben, nämlich „die Jungen“, machen lassen.“ (Prof. Platzbecker)

Beispiele für nachhaltige Maßnahmen am UKD

  • Wiederverwendung von Styroporboxen im innerbetrieblichen Kühltransport (22:12)
  • Ausbau der fahrradfreundlichen Infrastruktur (JobBike, Leihräder, sichere Abstellanlagen) (23:15)
  • Förderung von ÖPNV-Jobtickets und Elektromobilität
  • Mitarbeiterrestaurant „Caruso“: Mehrweg-Geschirr (ReCup/ReBowl), pflanzenbasierte Ernährung, regionale Lieferketten, kreative Resteverwertung (25:45)

„Es soll vor allem bezahlbar bleiben. Das ist mir sehr wichtig. Denn etwas, was zwar den Anforderungen der Nachhaltigkeit entspricht, aber nicht bezahlbar ist, bzw. von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht wahrgenommen wird aus pekuniären Gründen, das nützt dann niemandem etwas.“ (Prof. Platzbecker)

Grüner Campus als Lernort für Biodiversität

28:18 – „Natürlich können wir damit nicht die Welt alleine retten. Aber das ist ja unser Ansatz: Wir leben vor, wir zeigen, dass wir auch innerstädtisch Schmetterlingen, Bienen und anderen Insekten einen Lebensraum bieten können.“ (P. Emmerlich)

Wo liegen die größten Herausforderungen? Was können andere Kliniken lernen?

30:29 – Prof. Platzbecker warnt davor, dass sich Prioritäten gesellschaftlich schnell verschieben. Die Herausforderung sei, Nachhaltigkeit dauerhaft oben auf der Agenda zu halten. Dafür müsse man die Mitarbeitenden ernst nehmen, aktivieren und einbinden – sie seien der größte Hebel.

„Es ist großes Potenzial da, und zwar unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und dieses Potenzial, gerade im Bereich Umweltschutz, Nachhaltigkeit, das gilt es zu heben.“

Persönliche Vision für 2045?

32:15 – Prof. Platzbecker hofft auf eine starke Bewegung „von unten“, die den Wandel vorantreibt.

„Ob es ausreicht, uns vor den katastrophalen Folgen der Klimakrise zu schützen, das mag ich nicht vorherzusehen.“

Wie funktioniert das Umweltbotschafter:innen-Konzept?

34:10 – Patrick Emmerlich beschreibt die Idee hinter dem innerbetrieblichen CO₂-Handabdruck: nicht nur eigenen Konsum verringern, sondern durch Vorbildwirkung und Engagement Emissionen im Umfeld vermeiden. Die Umweltbotschafter:innen machen dieses Prinzip sichtbar – dezentral, praxisnah, motivierend.

„Diese vermeintlich kleinen Dinge, die können in der großen Summe durchaus einen Impact erzeugen.“

Wie gehen Sie mit Widerständen um?

36:56 – Widerstände werden durch Gesprächsbereitschaft, kollegiale Impulse und sichtbare Kommunikation auf Leitungsebene adressiert. Patrick Emmerlich sieht Nachhaltigkeit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe – lösbar nur im Schulterschluss.

„Ich bin sehr optimistisch, dass wir den richtigen Weg gehen und vielleicht auch ein kleines Vorbild sein können.“

Welche Projekte sind in Planung?

39:05 – Im Energiebereich sieht Patrick Emmerlich das größte Potenzial: Photovoltaik-Ausbau, Lüftungsoptimierung – und als neue Möglichkeit, die am UKD zurzeit geprüft wird: die Nutzung von Abwärme aus der Protonentherapie, mit einer geschätzten Rückgewinnung von 800 MWh Wärmeenergie.

„Das wäre ein echtes Leuchtturmprojekt.“

Und was bedeutet das konkret?

41:00 – Was 800 MWh für ein Krankenhaus bedeuten, wird im Gespräch bildhaft gemacht – in Relation zur Wärmeversorgung zahlreicher Privathaushalte.

Ihre Vision für 2045?

43:17 – Patrick Emmerlich zeichnet das Bild eines energieeffizienten, klimaresilienten Krankenhauses: Mitarbeitende fahren mit dem Rad, dem ÖPNV oder mit Ökostrom zur Arbeit, Medikamente werden klimaneutral produziert, Nachhaltigkeit wird selbstverständlich gelebt – und bleibt für alle bezahlbar.

„… der Weg dahin ist das Schwierige. Das schaffen wir nur gesamtgesellschaftlich, alle zusammen. … da können wir im besten Fall als großes Unternehmen mit Vorbildwirkung aktiv sein“

 

 

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