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Patientenverfügung, Gesundheitsvollmacht & Co. - wie Digitalisierung ein schwieriges Thema leichter macht

19. März 2021

News

Ein junges Start-up erleichtert die Auseinandersetzung mit dem Lebensende. Im Zuge der Aktion „Deutschland sorgt vor" möchte AFILIO Menschen jeden Alters dazu animieren, sich frühzeitig um ihre Vorsorgedokumente zu kümmern. Wir halten das für eine sehr gute Idee.

Vor Kurzem erreichte uns die Anfrage der Vorsorge-Plattform AFILIO, sie bei der Kampagne „Deutschland sorgt vor“ zu unterstützen. Das junge Berliner Digital-Start-Up hat bereits die klassische Printpresse wie SZ und Handelsblatt begeistert und wird von der Stiftung Warentest für die Vorsorgeregelung empfohlen. Auch der Vorstandsvorsitzende der Christoph Lohfert Stiftung, Prof. Kai Zacharowski, äußert sich positiv: „AFILIO ist ein gutes Beispiel dafür, wie Digitalisierung den Patient:innen nutzen kann. Die Plattform erleichtert den Zugang zum Thema Vorsorge enorm und leistet damit einen großen Beitrag zur Stärkung der Patientensouveränität. Als Intensivmediziner erlebe ich regelmäßig, wie wichtig Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht sind, um den Patientenwillen zu wahren und den Angehörigen Entscheidungen in Notfallsituationen zu erleichtern.“

Tatsächlich entspricht die bundesdurchschnittliche Vorsorgequote dem Vorsorgedurchschnitt unseres Stiftungsteams: Nur rund ein Drittel haben bisher Vorsorge für den Fall getroffen, dass sie aufgrund eines Unfalls oder einer schweren Krankheit nicht mehr selbst entscheiden können, was das Beste für sie ist. Zeit also für eine schrittweise Annäherung an ein Thema, das so fern scheint, und doch so schnell nahe rücken kann:

Wer entscheidet wie für mich?

Vorsorgevollmacht ist das A und O

Die entscheidende Frage lautet: Wer sorgt und entscheidet für mich, wenn ich selbst nicht dazu in der Lage bin? Wer darf dann mit Ärtz:innen im Krankenhaus sprechen, wer darf die Post öffnen und meine SocialMedia-Accounts, wer mit der Bank sprechen und mit dem Vermieter? Die Antwort auf diese Frage muss schriftlich fixiert sein – nur so ist sie rechtlich bindend. Das heißt, auch wenn ich meine nächsten Familienangehörigen bevollmächtige, für mich im Falle eines Unfalls, einer Krankheit oder im Alter zu handeln, muss ich dies in einer sogenannten Vorsorgevollmacht hinterlegen. Möchte ich alternativ einen vom Gericht kontrollierten Betreuer bevollmächtigen, muss ich statt der Vorsorgevollmacht eine Betreuungsverfügung aufsetzen.

Patientenverfügung für medizinische Entscheidungen am Lebensende

Die bevollmächtigte Person wird auch bei medizinischen Entscheidungen für mich sprechen, wenn ich selbst nicht dazu in der Lage bin. Das betrifft vor allem Entscheidungen im Angesicht des Todes. Bevorzuge ich immer die Maximaltherapie, egal wie beeinträchtigt mein Leben ist? In welchem Fall verzichte ich auf künstliche Ernährung, auf Beatmung oder gar Wiederbelebung? Solche Fragen wird die bevollmächtigte Person gemeinsam mit den behandelnden Ärzt:innen klären müssen, sollte ich nicht dazu in der Lage sein. Und hier kommt die Patientenverfügung ins Spiel – in ihr lege ich meine Wünsche und Vorstellungen der ärztlichen Behandlung am Lebensende fest. Für die Ärzt:innen ist sie rechtlich bindend, sofern sie von einer bevollmächtigten Person vertreten wird. Beruhigend: Bevollmächtige und Ärzt:innen müssen sich über die medizinischen Maßnahmen einig sein. Sonst werden eventuell das Ethikkonsil der Behandler, Angehörige oder eben das Betreuungsgericht eingeschaltet.


Besonderheit Gesundheitsvollmacht

Während ich mit einer Vorsorgevollmacht meinen Bevollmächtigten umfänglich über alle Lebensbereiche Vollmacht erteile, beschränkt sich eine Gesundheitsvollmacht – logisch – auf den Gesundheitsbereich. Krankenhäuser wie das Universitätsklinikum Frankfurt setzen diese gezielt in Gesprächen vor geplanten Operationen ein für den Fall, dass nach der Operation medizinische Maßnahmen notwendig werden und ich aufgrund einer akuten Situation nicht einwilligungsfähig bin. Die Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie hat hierfür einen eigenen Vordruck sowie übersichtliche Beschreibungen sowohl für die Behandelnden als auch für die Patient:innen entwickelt.


Wie regel´ ich das jetzt?

Sich das Lebensende vorzustellen, liegt nicht unbedingt in der Natur des Menschen. Je einfacher der Zugang zu den entsprechenden Dokumenten, desto höher die Chance, sich wirklich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Das haben sich zumindest die Gründer von AFILIO gedacht. Sie versprechen, die relevanten Dokumente in nicht mehr als zehn Minuten bearbeitet zu haben. Der Zugang zu ihrer Website ist leicht, man ist schnell registriert – und steht bei der entsprechenden Formulareingabe flugs vor der Frage: Wie möchte ich eigentlich sterben: Zuhause? Im Krankenhaus? Im Hospiz? Und: Möchte ich wirklich künstlich ernährt werden, wenn ich mich „aller Wahrscheinlichkeit nach im nicht mehr abwendbaren, unmittelbaren Sterbeprozess“ befinde?

Im Zweifel beraten lassen

Hier wird deutlich, dass Beratung guttäte, sonst klickt man sich schnell wieder weg. Auch die zum Vergleich herangezogene Stiftung Warentest empfiehlt im Zweifel eine Beratung (beispielsweise durch die Hausarztpraxis oder Verbraucherzentrale), in der solche Fragen besprochen werden können. AFILIO löst das Dilemma mit kurzen informativen Texten sowie dem Verweis auf palliative Maßnahmen zur Schmerzen- und Leidenslinderung. In jedem Fall lässt sich die Eingabe jederzeit unterbrechen und beliebig fortsetzen und ändern.

Wer sich in allen Angaben sicher ist, hat mit AFILIO tatsächlich in 15 Minuten eine digital verfügbare und jederzeit aktualisierbare Patientenverfügung. Ein Vorteil: Sie lässt sich per Notfallabruf digital freigeben, sodass das Krankenhauspersonal, Bevollmächtigte und Angehörige im Notfall direkt darauf zugreifen können.

Stiftung Warentest, Kirchen und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bieten ebenfalls Formulare an

Wer die digitale Datenspeicherung scheut, kann alternativ auf Textbausteine des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zurückgreifen und die Patientenverfügung selbst erstellen. Die Stiftung Warentest bietet Musterformulare zum kostenlosen Download oder in Papierform an.

Wie erfährt das Krankenhaus im Notfall von meiner Patientenverfügung?

Am einfachsten online: Es gibt inzwischen diverse Bezahl-Dienste zur Online-Hinterlegung der Vorsorgedokumente, so auch der von AFILIO. Eine – nicht-kommerzielle – auf Dauer angelegte Möglichkeit bietet jedoch das Zentrale Vorsorgeregister, das bei der Bundesnotarkammer angelegt ist. Gegen überschaubare Kosten können auch private Nutzer:innen dort ihre Vorsorgedokumente hinterlegen, sodass sie im Zweifel für behandelnde Krankenhaus abrufbar sind. Sind die Dokumente nur in Papierform vorhanden, bringt die bevollmächtigte Person sie im Notfall mit ins Krankenhaus.

Zuguterletzt: Die Notfallkarte

Eine kleine Notfallkarte im Portemonnaie bietet den einfachsten Hinweis auf Bevollmächtigte und/oder Ablageort meiner Vorsorgedokumente. Hier wie beim gesamten Thema gilt: Einfach machen – dann hat man´s hinter sich.

Was passiert, wenn ich nichts regle?

Wenn im Notfall für medizinische Entscheidungen keine Vollmacht vorliegt, muss ein Betreuungsgericht eine „gesetzliche“ Betreuung einrichten, die meinen (mutmaßlichen) Willen – im Gespräch mit Angehörigen und Ärzt:innen - zu eruieren sucht. Der NDR zitiert in diesem Zusammenhang einen Intensivmediziner der Medizinischen Hochschule Hannover: „Wenn wir den Willen des Patienten nicht kennen, sind wir zu einer Ausweitung der Therapie bis hin zur Maximaltherapie gezwungen“. Auch das ist beruhigend. Und es gibt durchaus Mediziner:innen, die Patientenverfügungen kritisch sehen, wie beispielsweise im Ärzteblatt dargestellt.

Am Ende ist und bleibt es die Entscheidung jedes und jeder Einzelnen. So sei zum Schluss gesagt: Alle Vorsorgedokumente können jederzeit widerrufen werden. Sollte ich also im Laufe meines Lebens anders über meine Entscheidungen am Lebensende denken (oder über meine Bevollmächtigten), kann ich die Dokumente aktualisieren. Empfohlen ist zudem, die Dokumente alle zwei Jahre zu überprüfen.

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Im Vorhinein festzulegen, wie man im Angesicht des Todes behandelt werden möchte, und diese Entscheidung nicht anderen zu überlassen, wenn man selbst nicht bei Bewusstsein oder in der Lage ist, sich zu äußern – dies ist auch ein Akt der Patientensouveränität. Die Christoph Lohfert Stiftung setzt sich seit dem Jahr 2012 für die Stärkung von Patientenorientierung vor allem in der stationären Krankenversorgung ein. Dazu gehört u.a. die Aufbereitung relevanter Themen für die Öffentlichkeit.

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