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Menschen niedrigschwellig und passgenau informieren: Gesundheitsfachkräfte im Quartier für Bremen & Bremerhaven

31. August 2022

Lohfert-Preis

Die Jury des Lohfert-Preises hat in diesem Jahr neben dem Preisträger „lobende Erwähnungen“ für zwei Projekte ausgesprochen, die ihr besonders positiv aufgefallen sind: Eine gilt dem Projekt der „Reziproken Alarmierung (rA) für Ersthelfer-Alarmierungssysteme". Die andere lobende Erwähnung erhielt das Projekt „Gesundheitsfachkräfte im Quartier - Bremen & Bremerhaven“, durchgeführt durch die Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V. Wir haben uns das Projekt angeschaut – darum geht es:

Speziell ausgebildete Gesundheitsfachkräfte informieren die Menschen in benachteiligten Quartieren der Stadt Bremen und Bremerhaven niedrigschwellig und zielgruppenspezifisch über die COVID-19-Pandemie. Zusätzlich werden Angebote zu weiteren Gesundheitsthemen entwickelt, um die Gesundheitskompetenz der Bewohner:innen zu stärken.

Sozioökonomisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen erkranken häufiger

Schon vor der Pandemie war bekannt, dass der Gesundheitszustand eng mit dem sozioökonomischen Status verknüpft ist: Sozioökonomisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen sind häufiger krank, vor allen Dingen erleiden sie häufiger kardiovaskuläre Erkrankungen, chronische Lungenerkrankungen, Diabetes mellitus oder Adipositas. Während der Pandemie zeigte sich, dass sich diese Bevölkerungsgruppen häufiger mit dem Coronavirus infizieren, öfter von schweren Erkrankungsverläufen betroffen sind und in deren Folge häufiger versterben.

Die Gründe für gesundheitliche Chancenungleichheit während der Pandemie liegen nachweislich in

  • einer erhöhten Vulnerabilität durch mögliche Vorerkrankungen,
  • der Exposition, die sich z.B. aus der Ausübung von Berufen mit hoher Kontaktdichte, der Angewiesenheit auf den ÖPNV und beengten Wohnverhältnissen ergibt,
  • dem insgesamt erschwerten Zugang zu Gesundheitsinformationen, z.B. durch Sprachbarrieren, geringeres Bildungsniveau etc.

In Bremen belegen amtliche Statistiken seit der zweiten Pandemie-Welle das sozial ungleich verteilte Infektionsgeschehen. Der Bremer Senat hat darauf mit der Bewilligung stadtteilbezogener Unterstützungsangebote reagiert. In diesem Rahmen wurde Anfang 2021 das Projekt „Gesundheitsfachkräfte im Quartier in Bremen“ initiiert und im Jahr 2022 auf Bremerhaven ausgeweitet.

Übergreifendes Ziel der Gesundheitsfachkräfte ist es, die Gesundheitskompetenz der Bewohner:innen zu stärken

Vorrangiges Ziel des Projektes war zunächst die Etablierung von Gesundheitsfachkräften in 14 benachteiligten Quartieren Bremens - die Auswahl erfolgte aufgrund des Programms „Wohnen in Nachbarschaften“. Die Aufgabe der Gesundheitsfachkräfte: Bevölkerungsgruppen, die bislang nicht oder nur unzureichend erreicht wurden, unter Berücksichtigung der Bremer Spezifika mit passgenauen Informationen zur COVID-19-Pandemie zu versorgen. Dank der engen Zusammenarbeit mit dem Impfzentrum wurde diese quartiersbezogene Informations- und Aufklärungsarbeit ein wichtiger Bestandteil der Bremer Impfkampagne. Mittlerweile werden auch zu weiteren Gesundheitsthemen, wie zum Beispiel Ernährung und Bewegung, Informationen vermittelt und entsprechende Angebote entwickelt. Das übergreifende Ziel des Projektes besteht darin, die Gesundheitskompetenz der Bewohner:innen benachteiligter Quartiere zu stärken und ihr Gesundheitsverhalten zu verbessern. Das Vorhaben wird von einem Projektkoordinationsteam begleitet, welches die Gesundheitsfachkräfte berät und unterstützt, stadtteilübergreifende Aktivitäten koordiniert und sich regelmäßig mit den zuständigen Behörden abstimmt.

Speziell geschulte Gesundheitsfachkräfte arbeiten niedrigschwellig, vernetzt, konzeptbasiert, zielgruppenspezifisch und weitestgehend partizipativ

Die Gesundheitsfachkräfte sind in Gesundheits- oder Sozialberufen, Quartiers- oder Gemeinwesenarbeit qualifiziert und für die Quartiersarbeit in Bremen und Bremerhaven speziell geschult. Sie haben Erfahrung in der Arbeit mit den Akteur:innen und Strukturen im Stadtteil und/oder mit Menschen in schwierigen sozialen Lagen. Darüber hinaus verfügen sie über interkulturelle Kompetenz sowie besondere Sprachkenntnisse (z.B. Bulgarisch, Russisch oder Türkisch). Grundsatz der Arbeit der Gesundheitsfachkräfte ist, dass die Angebote niedrigschwellig, vernetzt, konzeptbasiert, zielgruppenspezifisch (z.B. hinsichtlich des Geschlechts, Einwanderungsgeschichte, sprachlicher Barrieren) und weitestgehend partizipativ gestaltet werden.

Aufsuchend, mehrsprachig, regelmäßig und bei mobilen Impfaktionen dabei

Die Gesundheitsfachkräfte informieren und sensibilisieren mithilfe von Informationsmaterialien in elf Sprachen, regelmäßigen Sprechzeiten, Informationsständen an stark frequentierten Orten im Quartier und (digitalen) Informationsveranstaltungen zu Fragen zur COVID-19-Pandemie. Durch ihre Informations- und Aufklärungsarbeit unterstützen sie zudem die zahlreichen mobilen Impfaktionen der Bremer Impfkampagne.

Projektkoordinatorin Iris Lettau:
Projektkoordinatorin Iris Lettau: "Vertrauen schaffen durch persönliche Ansprache, das Ernstnehmen von Sorgen und Ängsten, hohe Fachlichkeit und Mehrsprachigkeit"
 
Eng vernetzt und unterwegs mit anderen Stadtteilakteur:innen

Auch die Mitarbeit in quartiersbezogenen Netzwerken und Arbeitsgruppen ist Teil ihrer Arbeit. I. d. R. arbeiten sie in all ihren Aufgaben eng vernetzt mit anderen Stadtteilakteur:innen zusammen. Insgesamt waren die Gesundheitsfachkräfte im Jahr 2021 an 80 Tagen bei Impfaktionen in den Quartieren sowie bei Impfaktionen an acht Schulen im Einsatz. Zusätzlich haben sie in 13 Übergangswohnheimen für Geflüchtete über die Impfung gegen COVID-19 aufgeklärt. Sie haben beispielsweise Informationsveranstaltungen in ca. 44 Erstorientierungs-/Integrationskursen und Maßnahmen der Jobcenter durchgeführt. Es wurden Elterncafés in Kitas angeboten, Schulen, Moscheen und die Bremer Tafel wurden besucht.

Ein Fazit: Speziell bei der Informationsvermittlung zur COVID-19-Schutzimpfung haben sich die persönliche Ansprache, das Ernstnehmen von Sorgen und Ängsten, die hohe Fachlichkeit sowie die Mehrsprachigkeit bewährt.

Durch die enge Vernetzung mit anderen Akteur:innen und Institutionen im Quartier konnte der Kontakt und das Vertrauen zu den Bewohner:innen aufgebaut und neue Angebote initiiert werden. Für die Bewohner:innen in benachteiligten Quartieren besteht ein großer Nutzen darin, dass die Strukturen und Angebote vor Ort in den Quartieren etabliert wurden. Informationen in den Muttersprachen der Bewohner:innen können zusätzlich zu einem erhöhten Vertrauen und besserem Verständnis beitragen. Eine Sensibilisierung für Schutzmaßnahmen in der COVID-19-Pandemie und für weitere Gesundheitsthemen wird so erleichtert und die Hürde zur Wahrnehmung der Angebote niedriger.

Insgesamt wurden durch das Projekt Bevölkerungsgruppen erreicht, die über andere Kommunikationswege bisher nicht ausreichend angesprochen wurden.

Wie geht es weiter?

Aufgrund der erfolgreichen Arbeit im ersten Projektjahr wurde die Projektlaufzeit um zwei Jahre verlängert, und es erfolgt eine Ausweitung auf Bremerhaven. Neben der Fortführung bestehender Angebote wird ein Fokus darauf gelegt, den negativen gesundheitlichen Folgewirkungen der Pandemie zu begegnen.

Kontakt

Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V., Iris Lettau, Fenskeweg 2, 30165 Hannover, iris.lettau@gesundheit-nds.de


Literatur

Robert Koch-Institut (2021). Soziale Unterschiede in der COVID-19-Sterblichkeit während der zweiten Infektionswelle in Deutschland.
Wachtler B, Michalski N, Nowossadeck E et al. (2020). Sozioökonomische Ungleichheit und COVID-19 – Eine Übersicht über den internationalen Forschungsstand. In: Journal of Health Monitoring, 5 (S7). doi: 10.25646/7058
Wahrendorf M, Knöchelmann A, von dem Knesebeck O et al. (2020). Verschärfen COVID-19 Pandemie und Infektionsschutzmaßnahmen die gesundheitlichen Ungleichheiten? Hintergrundpapier des Kompetenznetzes Public Health COVID-19: https://www.public-health-covid19.de/images/2020/Ergebnisse/Hintergrundpapier_SozUngl_COVID19_final.pdf
Wahrendorf, M, Rupprecht, CJ, Dortmann, O et al. (2021) Erhöhtes Risiko eines COVID-19-bedingten Krankenhausaufenthaltes für Arbeitslose: Eine Analyse von Krankenkassendaten von 1,28 Mio. Versicherten in Deutschland. In: Bundesgesundheitsbl 64, 314–321. https://doi.org/10.1007/s00103-021-03280-6


Fotos: Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V. / Das Projekt wird gefördert durch die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz der Freien Hansestadt Bremen / Äußerungen unserer Gesprächspartner:innen geben deren eigene Auffassungen wider. Die Christoph Lohfert Stiftung macht sich Äußerungen ihrer Gesprächspartner:innen in Interviews und Beiträgen nicht zu eigen.

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