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Lohfert-Preis 2022: Patientenbriefe ergänzen ärztliche Entlassbriefe

Ein Projekt der „Was hab‘ ich?“ gGmbH in Kooperation mit der Herzzentrum Dresden GmbH Universitätsklinik, evaluiert durch die Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden
„Mit den Patientenbriefen erhalten alle Patient:innen nach einem Krankenhausaufenthalt ein leicht verständliches Dokument mit ihren Diagnosen und den durchgeführten Prozeduren.“ Ansgar Jonietz, Projektleiter und Geschäftsführer „Was hab‘ ich?“ gGmbH Dresden
Für mehr Gesundheitskompetenz: Relevante Informationen in einfacher Sprache verschriftlichen

Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung hat Schwierigkeiten im Umgang mit Gesundheitsinformationen und weist eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz auf. Das hat negative Folgen – für die Betroffenen ebenso wie für das Gesundheitssystem. Um die Gesundheitskompetenz zu stärken und Patient:innen zur Beteiligung an Gesundheitsentscheidungen zu befähigen, empfehlen der Nationale Aktionsplan Gesundheitskompetenz und die Gesundheitsministerien der Länder, alle relevanten Informationen in einfacher Sprache zu verschriftlichen und Patient:innen nach jedem Klinikaufenthalt mit laienverständlichen Patientenbriefen auszustatten.

Durch die Komplett-Automatisierung können die laienverständlichen Entlassbriefe ohne zusätzlichen Zeitaufwand für das medizinische Personal erstellt werden, betont der Projektleiter Ansgar Jonietz. (Foto: A. Garbe)
Durch die Komplett-Automatisierung können die laienverständlichen Entlassbriefe ohne zusätzlichen Zeitaufwand für das medizinische Personal erstellt werden, betont der Projektleiter Ansgar Jonietz. (Foto: A. Garbe)
 
Win-win: Leicht verständlich für die Patient:innen – automatisiert erstellbar ohne zusätzlichen Personalaufwand für die Klinik

„Was hab‘ ich?“ setzt sich seit Jahren für eine Arzt-Patienten-Kommunikation auf Augenhöhe ein. Das Projekt „Patientenbriefe nach stationären Aufenthalten“ verfolgt dabei das Ziel, dass alle Patient:innen nach einem Krankenhausaufenthalt ein leicht verständliches Dokument mit ihren Diagnosen und den durchgeführten Prozeduren erhalten. Dabei sollten die Patientenbriefe automatisch auf Grundlage der in einer Klinik ohnehin vorhandenen Daten erstellt werden können und keinen Mehraufwand für das Klinikpersonal generieren, sodass sie im großen Maßstab an allen Krankenhäusern einsetzbar sind.

Zu den Projektbildern

Die vorhandenen Daten nutzen: Über 25.000 ärztlich erstellte, qualitätsgeprüfte Textbausteine übersetzen Diagnose- und Prozeduren-Codes

Im Zuge der ersten Projektphase wurden das Konzept eines automatisiert erstellbaren Patientenbriefs, technische Details und medizinische Inhalte erarbeitet. Anschließend wurde eine spezielle Patientenbrief-Software entwickelt. Diese setzt die Briefe Patienten-individuell auf Basis der in der Klinik vorliegenden Diagnose- und Prozeduren-Codes zusammen. Dafür greift sie auf über 25.000 ärztlich erstellte, qualitätsgeprüfte Textbausteine zu. Die Software wird über standardisierte Schnittstellen lokal in die Klinik-IT eingebunden; persönliche Daten verlassen zu keinem Zeitpunkt das Krankenhaus. Die Patientenbriefe können in der Klinik gedruckt oder in ein elektronisches Patientenportal eingebunden werden.

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Im Realitätscheck: Evaluation durch randomisierte Studie am Herzzentrum Dresden

Der Einsatz der Patientenbriefe wurde von Juni 2019 bis Juni 2020 am Herzzentrum Dresden erprobt und die Wirkung in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden in einer kontrollierten randomisierten Studie evaluiert. Zielgruppe der Intervention waren nahezu alle im Studienzeitraum im Herzzentrum Dresden stationär behandelten, volljährigen Patient:innen. Zusätzlich zu dem an alle Patient:innen ausgehändigten, „normalen“ ärztlichen Entlassbrief erhielten die Patient:innen der Interventionsgruppe wenige Tage nach Entlassung ihren Patientenbrief per Post. Beide Studiengruppen füllten anschließend standardisierte Fragebögen aus, die auf dem europäischen Health Literacy Survey (HLS-EU-Q16), dem Picker-Fragebogen zur Stationären Versorgung sowie selbstentwickelten Items zum Patientenbrief basieren.

Evaluierter Nutzen: 95 Prozent bewerten Patientenbrief als verständlich unnd 93 Prozent als informativ und hilfreich

Als zentrales und gesundheitspolitisch bedeutsames Ergebnis zeigt sich, dass die Gesundheitskompetenz von Patient:innen durch die automatisiert erstellten Patientenbriefe signifikant gesteigert wurde. Der Anteil der Patient:innen mit ausreichender Gesundheitskompetenz in der Interventionsgruppe war signifikant höher als in der Kontrollgruppe ohne Patientenbrief – die Chance auf ein höheres Gesundheitskompetenz-Level wurde durch den Erhalt des Patientenbriefs um 67 Prozent erhöht. Die Patientenbriefe erreichten neben den Patient:innen auch deren Angehörige: Der überwiegende Teil der in die Auswertung einbezogenen Patient:innen hat den Patientenbrief ausführlich gelesen (93 Prozent), mindestens einer weiteren Person gezeigt (73 Prozent) und als verständlich (95 Prozent), informativ (93 Prozent) sowie hilfreich (93 Prozent) bewertet.

Effektiv: Kein zeitlicher und wenig organisatorischer und finanzieller Aufwand

Durch die Komplett-Automatisierung können die laienverständlichen Entlassbriefe ohne zusätzlichen Zeitaufwand für das medizinische Personal erstellt werden. Zugleich wurde der Nachweis erbracht, dass Patientenbriefe effektiv in das Entlassmanagement von Kliniken integriert werden können und eine Anbindung der Software an die Klinik-IT einfach und datenschutzkonform realisierbar ist. Aufgrund dieser nachweislich positiven Wirkung und des geringen organisatorischen und finanziellen Aufwands wird ein baldiger breiter Einsatz automatisiert erstellbarer Patientenbriefe als Teil des regulären Entlassmanagements angestrebt. Nach Prüfung der Ergebnisse des Forschungsprojektes sprach der Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses im Januar 2022 die Empfehlung zur Übernahme der Patientenbriefe in die Regelversorgung aus. Derzeit findet der Patientenbrief bereits an über 30 Kliniken in Deutschland Verwendung.

Kontakt

Ansgar Jonietz, „Was hab‘ ich?“ gemeinnützige GmbH Dresden, Theaterstraße 4, 01067 Dresden, www.washabich.de

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